Der Traum vom künstlichen Menschen

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Der Traum vom künstlichen Menschen

Wie Technik und Kultur unser Morgen mit AI prägten und prägen.

Ja, generative AI ist ein Hype. Und dann ist die Faszination, die AI umgibt eben doch weit mehr. Seit Menschen mit der Idee intelligenter Maschinen arbeiten, umgibt diese Maschinen eben auch ein Mythos, der wohl viel mit uns selbst zu tun hat. Kann uns jemand ersetzen? Ist der Mensch doch nicht die Spitze der Pyramide? Scheinbar beschäftigt uns dieses Problem weit mehr als uns lieb ist.

Das zeigen uns auch menschliche Visionen von Künstlicher Intelligenz, die weit älter sind als man vielleicht denkt. Zugegeben: Unsere Vorfahren haben sicher nicht erwartet, dass wir uns eines Tages Songtexte in ChatGPT texten und in Rytr vertonen lassen können. Wenig Fantasie hatten sie aber auch nicht. Denn es waren einerseits Mathematiker:innen und Informatiker:innen, die AI vorantrieben. Und es waren Künstler und Kulturschaffende, die unser Bild von AI prägten. Beide Strömungen griffen einander und schufen das Bild, das uns jetzt in die Zukunft begleitet.

AI als technische Dispziplin

Die Idee von Künstlicher Intelligenz im engeren Sinne reicht bis zurück in die Vorkriegs- und Kriegszeit, wo sich vor allem der britische Mathematiker Alan Turing um Grundlagenforschung verdient machte. Seine Arbeit an der so genannten Turingmaschine fand 1936 statt. Turing legte damals dar, dass eine Maschine kognitive Prozesse ausführen könne, wenn man diese in Einzelschritte zerlegen und durch Algorithmen darstellen könne. Damit erfand Turing eine moderne Definition von Künstlicher Intelligenz.

AI als technische Dispziplin

Offiziell begann die Forschungsdisziplin Künstliche Intelligenz mit der Dartmouth Konferenz im Juli 1956. Zu dieser Zeit waren Computer noch eine Seltenheit und bestenfalls als Teil von teuren Forschungsprojekten einsetzbar. Mit der Dartmouth Konferenz fragten sich Wissenschaftler zum ersten Mal, ob und wie Computer überhaupt in die Lage versetzt werden könnten, ähnlich wie ein menschliches Gehirn zu funktionieren. Erstmals wurden neuronale Netze diskutiert, die ähnlich wie Nervenzellen funktionierten. Diskutiert wurde auch, ob und wie Sprache eine künftige Rolle bei der Entwicklung von KI spielen könnte. Die Geburtsstunde einer Forschungsdisziplin war geschafft.

Generative AI entsteht

Generative KI wurde seit den 1960er Jahren ein aktiver Forschungsbereich. Der deutsch-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum baute den ersten Chatbot namens ELIZA. Mit Eliza konnte Weizenbaum erstmals die Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) simulieren, indem er Antworten auf der Grundlage eines empfangenen Textes generierte. Prompts waren geboren. Obwohl es sich bei diesem System um sehr regelgeleitete Eingaben und keine freie Konversation handelte, ebnete ELIZA den Weg für die Verarbeitung natürlicher Sprache.

Im Laufe der Jahre begannen Forscher, mit generativen Modellen zu experimentieren, die in der Spracherkennung, der Bildverarbeitung und der Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) eingesetzt werden konnten.

Wie funktioniert generative AI?

Die zunehmende Computerpower und die Leistung moderner Microchips half hier natürlich enorm. Neue generative Modelle, wie Bayessche Netze und Markov-Modelle wurden in der Robotik eingesetzt und unterstützten die Entwicklung von AI. Das Aufkommen neuronaler Netze und

Backpropagation-Algorithmen bedeutete die nächste Innovationskurve für AI, was durch die Explosion an Datenmengen und Rechenkapazitäten in den frühen 2000ern noch verbessert wurde. Deep Learning wurde praktikabel – eine Weiterentwicklung des Machine Learning, die weitaus komplexer ist. 2012 und 2014 gelang zwei Forschungsteams entscheidende Durchbrüche bei der Entwicklung generativer AI. Aber es brauchte noch bis 2022, dass Text-Bild Generatoren (MidJourney, Dall-E 2, Stable Diffusion), ChatGPT von OpenAI und verschiedene andere sehr massenmarkttaugliche Applikationen den Durchbruch in der Breite der Gesellschaft schafften. Die Geburtsstunde einer neuen Industrie.

Sci-Fi und AI-Zukunftsbilder

Weit älter als die technische Umsetzung ist vor allem das Bild von künstlicher Intelligenz als kulturellem Leitstern. Lange vor dem ersten Computer fragten sich Menschen schon, wie sie sich selbst als intelligentes Abbild schaffen können. Viele sehen schon in der jüdischen Golem-Legende eine Art früher, mittelalterlicher AI-Science Fiction. Schon hier zeigt sich eine Urangst, die wohl immer in der Suche nach Künstlicher Intelligenz zu finden ist: Denn der aus Lehm geformte Riese Golem, der eigentlich dem Schutz der Juden von Prag dienen soll, wird am Ende böse und richtet sich gegen seinen eigenen Schöpfer Rabbi Loew. Loew siegt am Ende über den Koloss, schwört aber Abkehr und will nie wieder einen so gefährlichen Knecht konstruieren - ein Urbild von Kontrollverlust, das in vielen Visionen von AI bis heute mitschwingt.

In den darauffolgenden Jahrhunderten veränderte sich das Bild von Mensch und intelligenter Maschine massiv. Aus Alchemie wurde Technik. Die, die uns mit Geschichten von intelligenten Maschinen erzählten, waren dabei unzweifelhaft die „Verrückten“ ihrer Tage: Künstler:innen und Ingenieur:innen, Autor:innen und Geschichtenerzähler:innen. Nicht immer konnten die großen Ideen mit der Technik ihrer Zeit mithalten. Noch nicht. So konstruierte der österreichisch-ungarische Hofbeamte Wolfgang von Kempelen 1769 einen angeblichen Schachroboter, der selbständig Schach spielen sollte und großes Aufsehen erregte. Der „Schachtürke“ war in osmanische Tracht gekleidet, was seinen Namen begründete. Die Maschine enthielt aber einen kleinwüchsigen Menschen, der einfach ein recht guter Schachspieler war. Eine recht komplexe Täuschung.

Sci-Fi und AI-Zukunftsbilder

Kulturell stieg die Faszination an intelligenten Maschinen vor allem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Als Urmutter des Roboter-Scifis gilt immer noch Mary Shelleys Frankenstein, der schon ab 1818 in drei Teilen anonym erschien. Der Roman über einen Mann, der Alchemie und Technikwissen kombiniert, um einen künstlichen Menschen zu schaffen. „Gugusse et l'Automate“ war 1897 der erste Stummfilm, der einen Roboter als künstliche Intelligenz inszenierte. Fritz Langs Maschinenmensch Maria stellte dann 1927 im Kultfilm „Metropolis“ eine der ikonischsten und auch wirkmächtigsten Bilder von Künstlicher Intelligenz dar. Und immer wieder schwang in allen diesen Klassikern die Angst vor Kontrollverlust in vielen Varianten mit.

„I’m sorry, Dave. I am afraid I cannot do that”, ließ Stanley Kubrick 1968 seine Künstliche Intelligenz HAL 9000 in „2001: Odyssee im Weltraum“ sagen. HAL versuchte in dem Film, einen der Astronauten bei einem Weltraumspaziergang umzubringen, obwohl er ihn und den Rest der Crew eigentlich zum Jupiter bringen soll. Und in den 1980er-Terminator-Kultfilmen ist die Misere schon eingetreten: Die Künstliche Intelligenz „Skynet“ hat schon längst übernommen. 2029 haben die Maschinen unsere Spezies fast besiegt und schicken einen „Terminator“ in unsere Zeit, um die Reste der menschlichen Rebellion in den Griff zu kriegen. „I will be back.“

Faszination und Angst. Next Step: AGI

Künstliche Intelligenz und ihre vielen Spielarten war immer schon weit mehr als nur die nächste Technologie. Unsere Faszination mit der Materie ist sehr viel älter als ihre konkrete Umsetzung für uns möglich ist. Und mit der Begeisterung für das, was denkbar ist, wuchs beim Menschen auch immer das Gefühl, dass Künstliche Intelligenz uns gleichermaßen helfen wie für uns bedrohlich werden kann.

Der nächste Schritt für uns ist die Suche nach einer übergeordneten Künstlichen Intelligenz, die AGI (Artificial General Intelligence) genannt wird – also eine Art verbundene General Intelligenz. AGI soll lernen können, jede intellektuelle Aufgabe zu bewältigen, die Menschen oder Tiere ausführen können. Zusätzlich soll AGI menschliche Fähigkeiten bei den wirtschaftlich oder handwerklichen Tätigkeiten übertreffen können. Anders als aktuelle Spielarten Künstlicher Intelligenz soll AGI Empfindungsvermögen, Sendungsbewusstsein und Bewusstsein haben. Viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen, wie OpenAI,DeepMind und Anthropic arbeiten an Konzepten für eine AGI und das Thema ist und bleibt beliebtes Thema in Science Fiction und Zukunftsforschung. Zwar geht man davon aus, dass man von dieser maschinellen Meta-Intelligenz noch sehr weit entfernt sein dürfte. Aber wir haben uns ja schon von vielen Entwicklungen in diesem Bereich überraschen lassen dürfen.

AGI stellt den nächsten großen Meilenstein auf einer Reise dar, die uns alle überrascht und zum Umdenken auffordert. Und: Die Entwicklung ist eine der aktuell meistdebattierten Themen der Welt. Die Sorge vor Kontrollverlust gegenüber den Maschinen wird von Fachleuten durchaus debattiert. Und auch ohne Roboter-Aufstand sind die Folgen der AI-Revolution für uns alle spürbar. Gute Neuigkeiten: Kultur und Wissenschaft haben seit Jahrhunderten unsere Sinne für die möglichen Gefahren intelligenter Maschinen geschaffen und uns mit einer Welt verzaubert, in der wir völlig neue Möglichkeiten haben. Fortschritt bedeutet Veränderung. Und weltweit sind viele Initiativen gestartet worden, um Künstliche Intelligenz dem Menschen dienen zu lassen und nicht umgekehrt. Als Optimisten sind wir sicher, dass AI uns unterstützt. Übernehmen wird sie nicht.

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Über den Autor
Stefan

Stefan ist seit 1994 als Online-Redakteur für unsere Webseite verantwortlich.
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