Engagement

Um vier Uhr morgens aufstehen und um sechs Uhr in der Früh mit dem Bus ins Fitnessstudio. Zeit für Kraftsport: Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben bis zu zwölf Stunden pro Woche. Für Niko ein Weg, sein Selbstbewusstsein zu stärken. Anschließend ruft von 9 bis 17 Uhr die Arbeit im Café Salamanca. „Salamanca ist eine Stadt in Spanien. 1994 kam die UNESCO-Weltkonferenz dort zusammen, und dort, sagt man, wurde der Inklusionsbegriff geboren. Dort haben sich einzelne Länder dazu verpflichtet, Inklusion umzusetzen“, erzählt Niko.

Seit zwei Jahren arbeitet er in dem inklusiven Café in Cölbe bei Marburg und unterstützt dort Menschen, die vordergründig eine psychische Grunderkrankung haben. „Meine Aufgabe ist es, die Menschen im Café-Alltag zu begleiten und mit ihnen strukturiert an verschiedenen Dingen zu arbeiten. Wenn ich jemanden begleite, der eine Sozialphobie hat, gehen wir beispielsweise gemeinsam an einen Tisch und nehmen Kundenbestellungen entgegen.“

Im Salamanca arbeiten Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Als hätte jeder seine eigene Superkraft. Niko kann aufgrund seiner Blindheit zum Beispiel Geräusche besser wahrnehmen, einige seiner Kollegen können eben sehen. So ergänzen und helfen alle einander.

Die Idee seines TikTok-Kanals wurde aus einer eher unschönen Situation heraus geboren. „Jemand hatte meinen Hund abgelenkt, während wir an der Ampel standen. Wir waren im Begriff, die Straße zu überqueren, und ich musste die Person über die Gefahren für mich aufklären.“ Zu Hause hat Niko dann gemerkt, wie sehr ihn der Vorfall beschäftigte. „Ich sagte meiner Partnerin, wir müssen unbedingt etwas gegen diese Unwissenheit tun, und somit hat das Ganze dann begonnen.“

140.000 Follower später und mit viel gutem Feedback als Rückenwind macht ihm die Arbeit auf Social Media immer noch Spaß. „Sarah und ich machen oft Videos zusammen, Couple Content sozusagen. Da sind die Reaktionen immer total schön und richtig süß.“ Immer wieder würden sich die Follower freuen, dass sich das außergewöhnliche Pärchen gefunden hat. „Weil unsere Geschichte, wie wir uns kennengelernt haben, die Leute begeistert und dass Sarah als meine Partnerin, bald Frau, so offen für mich gewesen ist. Eine solche Charakterstärke und Offenheit ist nicht selbstverständlich.“

Eines ist jedoch klar: Der Erfolg auf TikTok ist nicht nur entstanden, weil das Trio Sarah, Niko und Blindenführhund Orlando so sympathisch ist. Vielmehr beweist Nikos Alltag immer wieder, dass es viele Menschen gibt, die Fragen haben und Aufklärung benötigen. Die Barrieren im Alltag sind leider real. „Das alles fängt schon in unserem täglichen Miteinander an. Die ganze Welt ist ja auf sehende Menschen ausgerichtet.“

Es braucht also mehr Rücksicht auf unsere Mitmenschen. Niko schützt, was er liebt. Sein Umfeld, sein Leben und seine Liebsten. Seine Arbeit macht darauf aufmerksam – und sie trägt Früchte. „Als Sarah und ich mal live auf TikTok waren, meldete sich dort ein junges Mädchen. Sie erzählte uns, dass sie aufgrund meiner Motivationsvideos angefangen hat, Rollstuhlbasketball zu spielen, und das hat mich wirklich total berührt. Dass jemand durch unsere gemeinsame Arbeit das Selbstbewusstsein erlangt, einer Sportart nachzugehen, das war schon ein sehr schönes Gefühl.“

Die Follower, das Café Salamanca und die junge Rollstuhlfahrerin sind für Niko die echten Mutmacher. Sie zeigen ihm, dass es keinen Grund gibt, an sich und seinen Zielen zu zweifeln.