Schon gewusst? Früher gab es in Deutschland kein Gesetz für die Gleichstellung der Geschlechter bei Versicherungspolicen. Heute zahlen alle Versicherte, ob männlich, weiblich oder divers, denselben Unisex-Tarif. Und trotzdem gibt es noch viel zu viele Lücken …
Es liegen Generationen dazwischen …
Menschen leben immer länger, aber können sich trotzdem nicht über den zukünftigen Ruhestand freuen. Denn obwohl die Rentenleistungen laufend an die demographische Entwicklung angepasst werden, ist das gesetzliche Rentensystem völlig überlastet. So reicht es schon längst nicht mehr aus, sich auf das Prinzip des Umlageverfahrens zu verlassen – und sowohl ältere als auch jüngere Generationen fragen sich zurecht: Wie gerecht sind unsere staatlichen Vorsorge- und Versicherungsleistungen noch? Von Generationengerechtigkeit kann jedenfalls kaum die Rede sein.
Let’s talk about gaps, baby!
Inzwischen sollte eigentlich allen bewusst sein, dass die eigene Verantwortung längst nicht einfach an die nächste Generation abgegeben werden kann. Denn wer heute nicht eigenverantwortlich bzw. rechtzeitig vorsorgt, hat kaum bis keine Chancen auf eine sorglose Altersrente. Doch nicht nur der Generationenunterschied, auch „Generation Gap“ genannt, sorgt für eine immer größer werdende soziale Ungleichheit. Auch zwischen Männern und Frauen herrscht eine große Kluft: der sogenannte „Gender Gap“.
Frauen sind durch eine Vielzahl von Faktoren stark benachteiligt – und das auch nicht erst seit gestern. Von der Einkommenslücke („Gender Pay Gap“), über die Rentenlücke („Gender Pension Gap“) und die Lebenseinkommenslücke („Gender Lifetime Earnings Gap“) bis hin zur Sorgearbeitslücke („Gender Care Gap“) – so viele Lücken, die Frauen nicht mal eben so schließen können. Jedenfalls nicht alleine. Es kommt unter anderem darauf an, wie sich das gesellschaftliche Miteinander und das wirtschaftliche Verantwortungsbewusstsein weiterentwickelt – und natürlich darauf, wie gut unsere Multisex-Gesellschaft darüber aufgeklärt wird. Aber nicht nur Aufklärung ist wichtig, sondern auch das Aufbrechen von geschlechterstereotypen Vorstellungen.
Früher war alles unfairer, oder?
Ein Beispiel: Vor nicht allzu langer Zeit zahlten Männer und Frauen für Versicherungs- und Vorsorgeleistungen unterschiedlich hohe Beiträge. Männer, die statistisch gesehen eine geringere Lebenserwartung haben, zahlten weniger für die Altersvorsorge. Frauen zahlten dafür weniger bei der Kfz-Versicherung, weil sie laut Statistik seltener Unfälle bauen.
Im März 2011entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass bei der Berechnung von Beiträgen und Risikofaktoren nicht mehr zwischen Männern und Frauen unterschieden werden darf. Deswegen gilt seit Dezember 2012 bei Abschluss von Versicherungen für alle der Unisex-Tarif. Die Tarifumstellung hatte aber auch zur Folge, dass die Beiträge für Männer und Frauen, je nach Versicherungssparte, mal sanken, mal stiegen. Gerade die – zwecks Angleichung – steigenden Preise für männliche Versicherungsnehmer sorgte für Unmut.
Dabei war ein wichtiges Argument für die Gleichstellung der Tarife, dass Frauen durch die höheren geschlechtsabhängigen Beiträge benachteiligt werden und ihnen eine Vielzahl von Versicherungsleistungen, unter anderem der Zugang zu privaten Krankenversicherungen, finanziell unmöglich ist.
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Hinkt der „Fairgleich”?
Auch wenn die tarifliche Angleichung für Männer oft mit höheren Versicherungsbeiträgen verbunden war: Frauen zahlten bereits vor Tarifanpassung deutlich höhere Beiträge – und das sogar bei einer gleichbleibenden geschlechterspezifischen Lohnlücke von mindestens 18 Prozent.
Die Einführung des Unisex-Tarifs konnte die finanzielle Ungleichheit zwischen den Geschlechtern natürlich nicht in Luft auflösen, war aber dennoch ein wichtiger Schritt zur Minimierung der sozialen Geschlechterdiskriminierung. Trotzdem lohnt sich bei vielen Versicherten ein prüfender Blick, ob benachteiligende Altverträge nachträglich angepasst werden sollten.
Was muss noch passieren, damit Frauen sich besser absichern?
Untersuchungen zeigen, dass Frauen in Bezug auf Versicherungen nicht nur andere Bedürfnisse haben, sondern diese auch stark von den jeweiligen Lebensphasen abhängig sind. Vor allem wichtige Schlüsselmomente wie Berufseinstieg, Heirat oder Elternschaft spielen für sie häufig eine bedeutende Rolle. Die weltweite Nachfrage von Frauen nach Versicherungsprodukten speziell für Frauen wächst – und auch deutsche Anbieter sollten das in ihrer Produktpalette berücksichtigen.
Doch die berechtigte Nachfrage nach „Frauenversicherungen“ beißt sich rechtlich und kalkulatorisch mit den verpflichtenden Unisex-Beiträgen. Umso mehr liegt die Verantwortung von Versicherern darin, innovative Lösungen zu finden, um die „Needs“ unterversicherter Frauen zu treffen – und diese darüber hinaus im Bereich Versicherungs- und Vorsorgeleistung umfangreich aufzuklären.