Mutter sein ist etwas Wundervolles – aber es kann auch ein Loch in den Geldbeutel reißen. In Deutschland sind viele Mütter finanziell benachteiligt, unter Alleinerziehenden lebt jede Dritte in Armut. Wie Du als Frau für Deine Finanzen sorgst, erfährst Du hier.
Frauen in Deutschland verdienen weniger Geld als Männer. Werden sie Mutter, ist Armut für viele vorprogrammiert. Die Gründe dafür sind komplex und lassen sich nicht von heute auf morgen aushebeln. Aber – und das ist der Grund, warum Du das hier unbedingt lesen solltest – es gibt etwas, das Du als Frau dagegen tun kannst. Damit hilfst Du nicht nur Dir, Du verbesserst auch die Zukunftschancen Deines Kindes. Und vielleicht stößt Du sogar eine kleine Revolution an, wenn Du jetzt aktiv wirst. Wenn Du bereits von Mütterarmut betroffen bist und mit Deinem Kind am Existenzminimum oder darunter leben musst, geben wir Dir zum Ende dieses Artikels außerdem Infos, wo Du Unterstützung finden kannst.
Die große Ungleichheit
Armut kann quasi jede Frau treffen, auch wenn es sich in bestimmten Lebensabschnitten absolut nicht so anfühlt. Es beginnt mit der Berufswahl und dem Gehalt: Viele Frauen erhalten für ihre Arbeit weniger Geld als Männer. Bei Müttern kommt hinzu, dass sie durch Elternzeit und die darauffolgende Teilzeit weitere Einbußen hinnehmen. Die Unterbrechung der Arbeit und die Teilzeit bedeuten für viele Frauen einen Karriereknick, Gehaltserhöhungen werden unwahrscheinlicher, das berufliche Netzwerk leidet. Frauen können so im Laufe ihrer Erwerbstätigkeit weniger Rücklagen sammeln und weniger Geld für das Leben im Alter zurücklegen, sei es durch staatliche Rente oder private Vorsorge. Spätestens im Alter droht vielen von ihnen die Armut. Fast jede dritte Frau über 80 hat im Alter zu wenig Geld zum Leben.1
Im Jahr 2019 arbeiteten rund 93 Prozent der erwerbstätigen Väter in Vollzeit und 72 Prozent der Mütter in Teilzeit.2 Im traditionellen und immer noch weit verbreiteten Familienmodell kümmert sich die Frau um den Haushalt und Kinder, sie leistet den Großteil der Care-Arbeit. Unbezahlt. Nicole Trieloff arbeitet für den Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) als wissenschaftliche Referentin. Sie fasst die Krux so zusammen: „Das Problem ist: Wenn das Paar sich trennt, tragen immer noch die Frauen die Kosten dieser vorher einvernehmlich getroffenen Arbeitsteilung.“
Die „Gender Lifetime Earnings Gap“ macht den extremen Unterschied deutlich. Dabei geht es um das gesamte Einkommen, das Männer und Frauen in ihrem Leben verdienen. Frauen in westlichen Bundesländern erwerben in ihrem Leben 45 Prozent weniger Einkommen als Männer, in östlichen Bundesländern beträgt die Lücke 40 Prozent.3
Trennungen tun weh – auch im Portemonnaie
Es gibt einen Faktor, der das Armutsrisiko von Müttern noch einmal erhöht: die Trennung vom Kindsvater. In Großstädten wird statistisch gesehen jede zweite Ehe geschieden. Die Chance vieler Frauen, durch den Partner finanziell abgesichert zu sein, liegt also bei fifty-fifty. Nach einer Trennung leben die meisten Kinder vorwiegend bei der Mutter, neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Und von den Alleinerziehenden sind 43 Prozent von Armut bedroht. Obwohl 42 Prozent von ihnen in Vollzeit arbeiten.4
Nur die Wenigsten verspüren Glücksgefühle bei der Beschäftigung mit Zahlen, Kontobelegen und Rentenbescheiden. Das Thema ist trocken. Entmutigend. Aber: Du als Frau und potenzielle Mutter kannst JETZT dafür sorgen, dass der Ausblick für Dich und Dein Kind rosiger aussieht. Und wie das geht, dazu kommen wir jetzt.
4 https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2021/juli/armutsrisiko-von-alleinerziehenden-verharrt-auf-hohem-niveau#link-tab-201378-10Mach Dich zur Expertin Deiner Finanzen
Fange so früh wie möglich an, Dich finanziell unabhängig zu machen und bleibe dabei. Das kann mit Deinem ersten Job losgehen, auch wenn Partner oder Kinder noch in weiter Ferne scheinen: Rücklagen bilden, investieren, Gehaltsverhandlungen führen. Das ist kein Hexenwerk – auch wenn Du Dich erst mit dem Thema Geld vertraut machen musst. Bevor Du darüber nachdenkst, mit Deinem Partner ein Kind zu bekommen, sprich mit ihm über Geld. Ja, das scheint unromantisch. Aber es sichert Deine Zukunft.
Unser erster Tipp lautet also: Mache Geld zu Deinem Thema.
Stefanie Ponikau ist stellvertretende Vorsitzende der Mütterinitiative für Alleinerziehende, MIA genannt. Sie hat beobachtet, dass auch innerhalb einer Partnerschaft sehr wenig über Geld gesprochen wird: „Viele Mütter wissen während der gesamten Beziehungszeit weder, was ihr Partner verdient, noch haben sie einen Einblick in die gemeinsamen Finanzen.“ Ihr Rat: Verschaffe Dir einen Überblick über das gemeinsame Einkommen, eure Fixkosten und eure variablen Kosten. Du musst nicht jede Überweisung selber tätigen, aber Du solltest Dich über die gemeinsame Buchführung informieren und Dich an finanzieller Planung beteiligen. Falls Du Dich davor scheust, die Verantwortung für Deine Finanzen zu übernehmen oder mit Deinem Partner über Geld zu sprechen, eventuell sogar gegen Widerstände, dann hat Nicole Trieloff noch einen Rat: „Die Armut betrifft nicht nur die Frauen selbst, sondern hat einen negativen Effekt auf das Leben der Kinder. Auf ihre Gesundheit, ihre Bildungschancen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft.“
Nur gleichberechtigt ist wirklich fair
Der größte Hebel, um das Armutsrisiko von Müttern zu verringern, ist Gleichberechtigung. Automatisch gibt’s die leider selten, Du musst sie einfordern. Besprich am besten noch vor der Schwangerschaft mit Deinem Partner, wie ihr euch Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung fair aufteilen könnt. Im Idealfall nehmt ihr gleich viel Elternzeit und reduziert danach die Arbeit zu gleichen Teilen.
Falls euch das nicht möglich ist, achtet darauf, dass Deine Verluste durch Eltern- und Teilzeit finanziell ausgeglichen werden. Bei der Beratung der Deutschen Rentenversicherung kannst Du Dir zum Beispiel ausrechnen lassen, wie viele Rentenpunkte Dir in welchem Modell zustehen. Das Ergebnis ist oft ernüchternd. Die Differenz zu Deinem Pre-Baby-Rentenverdienst könnte Dein Partner dann von seinem Vollzeitgehalt in eine private Vorsorge investieren.
Tipp Nummer zwei heißt: Lass Dir Care-Arbeit und Teilzeit finanziell ausgleichen.
Achte auch darauf, dass gemeinsame Anschaffungen von Wert wie zum Beispiel ein Auto oder Immobilien auf beider Namen laufen. Stefanie Ponikau erlebt öfter, als ihr lieb ist, dass die Frau ihren Beitrag zu solchen Anschaffungen leistet, dann aber nicht im Kaufvertrag steht.
Tipp Nummer drei: Am besten haltet ihr eure Absprachen in einem Ehe- oder Partnervertrag fest. Der gilt dann in guten wie in schlechten Zeiten. „Niemand rechnet damit, dass eine Trennung auch schmutzig ablaufen kann“, sagt Stefanie Ponikau. „Romantik ist ja schön und gut. Aber wenn die nicht so lange hält, muss ich für mich selber sorgen können.“
Tipp Nummer vier: Plane die Zeit nach Deiner Babypause. Viele Frauen möchten auch Jahre nach der Geburt vor allem für ihre Kinder sorgen und finden die Vorstellung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, gar nicht so verlockend. Gut, wenn man sich das leisten kann – aber bedenke, dass Du Dich damit finanziell abhängig machst. Ein Teilzeitjob könnte eine Option sein, um eigenes Geld zu verdienen. Nach mehr als drei Jahren Teilzeit wird es statistisch gesehen aber immer schwieriger, in die Vollzeit zu wechseln. Andererseits erwarten Dich dort – zumindest finanziell und karrieretechnisch gesehen – die besten Aussichten. So oder so solltest Du Minijobs meiden – im Gegensatz zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sammelst Du dort nämlich keine Rentenansprüche.
Und wenn da kein Partner ist?
Als Alleinerziehende bist Du nicht allein. In Deutschland waren im Jahr 2021 rund 2,15 Millionen Mütter und etwa 462.000 Väter alleinerziehend.5 Sie haben nur ein Einkommen zur Verfügung, schultern aber fast ebenso hohe Lebenshaltungskosten wie eine Zwei-Eltern-Familie. Das bringt viele von ihnen an eine Belastungsgrenze: 38 Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern sind auf staatliche Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (früher „Hartz IV“) angewiesen.6
Unser fünfter Tipp: Scheut euch nicht, Hilfe zu suchen.
Rose Volz-Schmidt hat das Sozialunternehmen Wellcome gegründet, das Familien in der turbulenten Zeit direkt nach der Geburt unterstützt. Durch materielle Ausstattung, ehrenamtliche Kinderbetreuung oder Ratschläge in dem Portal „Elternleben“. Rose Volz-Schmidt weiß, dass Kinder viel Geld kosten. Wer für diese Kosten nicht allein aufkommen kann, müsse sich nicht schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie rät allen Alleinerziehenden: „Findet heraus, was euch an Unterstützung zusteht, und nehmt es euch.“ Dazu gehören etwa der Kinderzuschlag, das Bildungs- und Teilhabepaket oder Wohngeld. Das Jugendamt, soziale Beratungsstellen, Familienzentren, Müttercafés oder Literatur können bei der Recherche helfen.
Es gibt da noch etwas, das euch auffangen kann: euer Netzwerk. In Vereinen, Frauenhäusern oder Stillcafés trefft ihr vielleicht auf Mütter, die euch Tipps und Trost geben können. Auf Portalen wie nebenan.de könnt ihr Kontakt zu anderen Müttern aufnehmen und Nachbarn um Hilfe bitten, zum Beispiel, wenn ihr jemanden sucht, der euch das Kinderbett zusammenschraubt. Auch, wenn es Zeit und Energie kostet, beachtet Tipp Nummer sechs: Baut euch ein Netzwerk auf. Zu wissen, dass man nicht als Erste und Einzige diesen Weg beschreitet, kann viel Mut machen. Und die Zahlen zeigen es sehr eindrücklich: Ihr seid nicht allein.
5 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/318160/umfrage/alleinerziehende-in-deutschland-nach-geschlecht/6 https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/chancen-und-teilhabe-fuer-familien/alleinerziehende/allein-und-getrennterziehende-foerdern-und-unterstuetzen-73552Literatur-Tipps
- Broschüre vom Verein MIA: „Bald Mama: Was Du ab Geburt beachten musst - Sorgerecht, Elternzeit, Teilzeitfalle“
- „Finanzplaner für Alleinerziehende“ von Christine Finke
- „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“ von Helma Sick