Brauchen Kinder eine Kinde­r­er­werbs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung?

Kinde­r­er­werbs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung

Ist eine Kinder­invaliditäts­versicherung sinnvoll?

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung schützt vor den finanziellen Folgen bei schweren Unfällen oder Krankheiten von Kindern.
  • Abgesichert werden Pflegebedürftigkeit, Schulunfähigkeit, Invalidität und Erwerbsunfähigkeit – üblicherweise in Form einer monatlichen Rente.
  • Die gesetzliche Unfallversicherung und die gesetzliche Erwerbsminderungsrente sind im Falle einer Kinderinvalidität meist unzureichend oder nicht anwendbar.
  • Die Kinderinvaliditätsversicherung (Kinder-EU) sichert Im Gegensatz zu einer Kinderunfallversicherung auch Krankheiten ab.

Wird ein Kind durch einen Unfall oder eine Krankheit invalide, muss es bei schweren Beeinträchtigungen von den Eltern versorgt werden. Eine Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung kann die damit verbundenen finanziellen Folgen reduzieren. Im Ratgeber erfährst Du, warum der Abschluss einer Kindererwerbsunfähigkeits- bzw. Kinderinvaliditätsversicherung sinnvoll ist und welche Leistungen enthalten sind.

Eine Kinder-EU lohnt sich

Elternglück und Elternleid liegen oft dicht beieinander. Eben hast Du Deinem Kind noch freudig dabei zugeschaut, wie es über das Klettergerüst turnte. Im nächsten Moment musst Du Blessuren versorgen, weil das Kleine abgestürzt ist und nun weinend am Boden liegt. Meist bleibt es bei leichten Blessuren, doch nicht immer gehen Stürze und Unfälle glimpflich aus. Je jünger die Kinder sind, desto häufiger treten Verletzungen am Kopf auf. Das zeigen die Daten des DIN-Verbraucherrats. Der Anteil von Kopfverletzungen bei 5-9-Jährigen beträgt rund 29 %, bei den 1- bis 4-Jährigen sind es etwa 54 %. Und bei den 1-Jährigen steigt der Anteil auf rund 81 %. Berücksichtigt wurden speziell Unfälle im häuslichen Umfeld.

Diagramm: Kopfverletzungen bei Kindern durch Unfalle im häuslichen Bereich

Durch Unfälle hervorgerufene Kopfverletzungen bei Kindern im häuslichen Bereich.1

Kopfverletzungen sind nicht immer harmlos wie bei einer leichten Gehirnerschütterung: Schädel-Hirn-Verletzungen sind eine der häufigsten Ursachen für nicht angeborene Behinderungen –und auch eine der häufigsten Todesursachen im Kindes- und Jugendalter.2

Andere Unfälle

Auch nach anderen schweren Verletzungen können körperliche Beeinträchtigungen zurückbleiben, zum Beispiel eine Blindheit oder Taubheit. Oder das Kind stürzt aus großer Höhe, erleidet eine Querschnittslähmung und sitzt den Rest seines Lebens im Rollstuhl. Selten, aber nicht auszuschließen sind geistige Behinderungen, verursacht durch eine Hirnblutung oder durch eine längere Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff.

Zudem unterschätzen die meisten Eltern alltäglichen Gefahren im Haushalt:

  • Stürze an ungesicherten Treppen
  • Verbrühungen
  • Verbrennungen
  • Vergiftungen
  • Verätzungen

Krankheiten

Das größte Risiko für eine Kindererwerbsunfähigkeit besteht jedoch nicht durch Unfälle, sondern durch Krankheiten: In rund 87 Prozent aller Fälle lässt sich die Invalidität auf eine Erkrankung zurückführen. Dazu zählen unter anderem Muskel- und Gelenkerkrankungen, neurologische Leiden oder Tumore.

Der finanzielle Schutz vor krankheitsbedingten Langzeitfolgen ist auch das zentrale Unterscheidungs­merkmal der Kinder­erwerbs­unfähigkeits­versicherung im Vergleich zur Kinder­unfall­versicherung.

Das Kind als Pflege­fall: Stei­gende Kosten bei sinken­den Ein­nahmen

Musst Du Dein Kind wegen einer Behinderung oder anderweitigen Beeinträchtigung zu Hause pflegen, bist Du weitgehend auf Dich allein gestellt. Familien haben zwar Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, doch die Zahlungen für die Pflege von Angehörigen sind insgesamt bescheiden. Sie werden zudem je nach Pflegestufe bemessen. Bleibt ein Elternteil zu Hause, bewegt sich das Pflegegeld zwischen 244 und 728 Euro pro Monat. Für professionelle Pflegedienste gibt es etwa das Doppelte.

Bei Kindern liegt die Messlatte, um Geld- und Sachleistungen zu erhalten, besonders hoch. Das Problem ist, dass Kinder – besonders Säuglinge – einen "natürlichen Pflegebedarf" haben. Nach dieser Logik wäre jedes Kleinkind ein Pflegefall. Um die Leistungen der Pflegeversicherung auch für Kinder anwenden zu können, wird im Grunde wie bei Erwachsenen verfahren. Maßgebend ist der Pflegebedarf, der über das normale Maß hinausgeht. Das "normale Maß" ist bei Erwachsenen aber praktisch null, es muss also keine "natürliche Pflegebedürftigkeit" berücksichtigt werden.

Bei Kindern ist dies anders. Hier wird vom tatsächlichen Pflegebedarf des Kindes der "natürliche Pflegebedarf" abgezogen. Der Unterschied, also das Mehr an Pflegebedarf, das für das kranke oder behinderte Kind gegenüber einem gesunden, nicht- behinderten Kind erforderlich ist, bestimmt dann die Pflegestufe. Kurz gesagt:

(Tatsächlicher Pflegebedarf) - (natürlicher Pflegebedarf) = (Pflegebedarf im Sinne der Pflegeversicherung)

Die folgenden Minu­ten­werte sind als natür­li­cher alters­be­dingter Hilfe­be­darf abzu­ziehen

Alter in Jahren

Abzug in Minuten

0 - 6 Monate

236

6 Monate - 1 Jahr

226

1 - 1,5 Jahre

219

1,5 bis 2 Jahre

196

2 - 3 Jahre

159

3 - 4 Jahre

115

4 - 5 Jahre

70

5 - 6 Jahre

44

6 - 7 Jahre

28

7 - 8 Jahre

16

8 - 9 Jahre

8

9 - 10 Jahre

3

Aufgrund der geringen gesetzlichen Leistungen bleibt bei vielen Familien eine finanzielle Lücke zum tatsächlichen Bedarf. Diese Lücke füllt die Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung durch eine monatliche Rente. Die konkrete Höhe der Rente wird anhand mehrerer Faktoren (z. B. Alter und Gesundheitszustand des Kindes bei Versicherungsabschluss; Invaliditätsgrad; Versicherungssumme) im Versicherungsvertrag festgelegt.

Gerade bei sehr pflegebedürftigen Kindern reduziert oftmals ein Elternteil seine Arbeitszeit, manche kündigen ganz. Die Folge: Das Haushaltseinkommen sinkt in dem Moment, in dem die Ausgaben steigen. Denn die meisten Familien wollen ihr invalides oder behindertes Kind so gut wie möglich fördern. Dazu gehören zum Beispiel spezielle Therapieangebote um Beeinträchtigungen durch Behinderungen zu lindern oder zusätzliche Nachhilfestunden bei Lernschwächen. Diese Maßnahmen sind teuer. Spezial-Behandlungen, die von den Krankenkassen nicht übernommen werden, gehen schnell ins Geld.

EU-Ver­sicherung für Schüler: Per­spektive für Ausbildung, Studium, Beruf

Schädigt ein Unfall oder eine Krankheit ein Kind schwerwiegend und dauerhaft, kann es oft nicht mehr in den Kindergarten oder die Schule gehen. Da der Bildungsausfall – besonders in der Schule – langfristig zu gravierenden Nachteilen auf dem Lebensweg führen kann, ist der Begriff Erwerbsunfähigkeitsversicherung für Schüler geläufig. Er fällt aber de-facto unter die Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung (mehr dazu im Abschnitt Versicherungszeiten und Altersgrenzen).

Aufgrund des Bildungsausfalls als Schüler, der körperlichen Einschränkungen oder einer Pflegebedürftigkeit sieht auch die finanzielle Perspektive für die weitere Zukunft der Kinder oft schlecht aus: Sie sind nur mit zusätzlicher Hilfe oder gar nicht mehr in der Lage eine Arbeit aufzunehmen.

Wenn sie keine Ausbildung durchlaufen oder ein Studium aufnehmen können, sinken die Chancen auf dem Arbeitsmarkt praktisch auf Null. Die gesetzlichen Leistungen sind in diesem Fall ebenfalls begrenzt. Da die betroffenen Kinder nie gearbeitet haben, erfüllen sie nicht die Voraussetzungen, um eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente zu beziehen. Diese wird nur gezahlt, wenn man mindestens 5 Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war und innerhalb von 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 36 Monate lang Rentenbeiträge eingezahlt hat.

Ohne Chance darauf, einen Beruf ausüben zu können, ist es den Betroffenen nicht möglich, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Ihnen bleiben nur staatliche Beihilfen auf Existenzminimum oder die familiäre Versorgung. In jedem Fall entsteht eine Finanzierungslücke aufgrund der notwendigen Ausgaben für Pflege und möglicherweise Therapien. Diese kann, zumindest teilweise, von der Berufsunfähigkeitsrente gefüllt werden.

65 % der Deutschen mit minderjährigen Kindern wissen nicht, dass es eine Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung gibt. Nur jeder Zehnte hat einen solchen Schutz für seine Kinder abgeschlossen.3

Leistungen der Kinder­erwerbs­unfähigkeits­versicherung

Eine gute Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung sollte nicht zwischen Unfällen und Krankheiten unterscheiden, sondern unabhängig von dieser Frage die Leistungen auszahlen:

Lebens­lange Rente oder Einmal­zah­lung

Hauptsächlich werden Policen mit einer lebenslangen Rente angeboten. Das ist auch sinnvoll, damit eine dauerhafte Unterstützung gewährleistet ist. Manche Versicherungen bieten auch Verträge mit einer einmaligen Kapitalauszahlung an. Bei solchen Modellen musst Du darauf achten, dass die Versicherungssumme ausreichend hoch ist, um einen Langzeitschutz zu gewährleisten. Dadurch werden solche Policen meist teurer als Versicherungsmodelle mit Rentenzahlung.

Leistungsbedingungen

Unter welchen Bedingungen die Rente gezahlt wird, ist in den Versicherungsbedingungen vereinbart. Abgesichert sind folgende Situationen:

  • Erwerbsunfähigkeit
  • Schulunfähigkeit
  • Invalidität (Grad der Behinderung: mindestens 50 Prozent)
  • Pflegebedürftigkeit

Bei einer angeborenen Krankheit kann der Versicherer auf einen Ausschluss dieser Erkrankung vom Versicherungsschutz bestehen. Das heißt: Wird das Kind aufgrund der Krankheit erwerbsunfähig, zahlt die Versicherung keine Rente.

Versicherungs­zeiten und Alters­grenzen

In der Regel decken Kindererwerbsunfähigkeitsversicherungen die gesamte Schulzeit ab. Dabei wird der Schutz üblicherweise bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gewährt. Nur wenige Versicherungen dehnen den Schutz bis zum Ende des Studiums aus. Hier wird das Kind meist noch bis zu einem Alter von 25 Jahren von der Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung geschützt. Alternativ können Studenten oder Azubis bereits eine Berufsunfähigkeitsversicherung für ihr anstehendes Berufsleben abschließen.

Abgeschlossen werden kann die Kinderinvaliditätsversicherung meist zwischen dem vollen 1. und dem vollen 16. Lebensjahr. Bei Verträgen mit einem längeren Schutz liegt das Eintrittsalter dann höher. Ist die Absicherung des Studiums eingeschlossen, beträgt das Höchstalter meistens 20 Jahre. Der Zeitraum, in dem die Versicherung die monatliche Rente zahlt – in der Fachsprache Leistungszeitraum genannt – wird aber nicht begrenzt. Tritt innerhalb der Versicherungszeit der Leistungsfall ein – wird das Kind also invalide oder pflegebedürftig – wird die Rente lebenslang gezahlt.

Kinder-EU oder Unfall­ver­sicherung für Kinder: Ein Vergleich

Viele Eltern schließen für ihre Kinder statt einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung beziehungsweise Invaliditätsversicherung eine Kinderunfallversicherung ab. Oft scheint dies der günstigere Weg zu sein, um den Nachwuchs gegen die Folgen von Unfällen oder anderen Risiken abzusichern. Die Kinderunfallversicherung zahlt aber nur, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen auf einen Unfall zurückzuführen sind.

Die Definition von „Unfall“ ist jedoch der Dreh- und Angelpunkt, in welchen Situationen die Versicherung zahlt – und in welchen nicht. Laut Definition liegt dann ein Unfall vor, „wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet“. Die wichtigsten Kriterien in dieser Definition sind: „plötzlich“, „von außen“, „auf den Körper“, „unfreiwillig“ und „Gesundheitsschädigung“. Daher schließt die Kinderunfallversicherung sowohl psychische Erkrankungen aus als auch Krankheiten und Einschränkungen, die langsam und schrittweise entstand sind.

Obwohl zahlreiche Ursachen, die zu einer Behinderung oder Invalidität des Kindes führen, von der Kinderunfallversicherung ausgeschlossen sind, weitet sie doch den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erheblich aus. Es lohnt sich also auf jeden Fall, individuell zu vergleichen.

Insgesamt gesehen ist der Schutz der Kindererwerbsunfähigkeitsversicherung umfangreicher als die Absicherung durch die Kinderunfallversicherung. Diese ist zwar im direkten Vergleich günstiger, doch die Hauptursache für Invalidität und Behinderung wird bei der Unfallversicherung ausgeschlossen. Wird das Kind dagegen durch eine ernste Erkrankung schwerwiegend geschädigt, zahlt nur die Kindererwerbsunfähigkeits- beziehungsweise Kinderinvaliditätsversicherung Geld aus.

Kinde­r­un­fall­ver­si­che­rung und Kinder-EU im Überblick

Kinder-
Unfall­versicherung

Kinder
Erwerbsunfähigkeits­versicherung

Was ist abgesichert?

Dauerhafte Schäden durch Unfälle

Dauerhafte Schäden durch Unfälle und Krankheiten

Was wird gezahlt?Leistung bei Invalidität oder Unfallrente

Überwiegend eine lebenslange Rente

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  • 1 DIN-Verbraucherrat: Durch Unfälle hervorgerufene Kopfverletzungen bei Kindern im häuslichen Bereich und daran beteiligte Produkte. statistik-service.de/upload/0-kopfverletzungen-report-elektronisch.pdf

    2 kindernetzwerk.de/downloads/aktiv/2019/BAGNachsorge.pdf

    3 Ergebnisse der repräsentativen Umfrage „Sorge und Vorsorge der Deutschen“ des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag von CosmosDirekt. Dazu wurden im Oktober 2018 in Deutschland 1.506 Personen ab 18 Jahren befragt, darunter 320 Personen mit minderjährigen Kindern.

Inhalt
  • Das Wichtigste in Kürze
  • Eine Kinder-EU lohnt sich
  • Das Kind als Pflege­fall: Stei­gende Kosten bei sinken­den Ein­nahmen
  • EU-Ver­sicherung für Schüler: Per­spektive für Ausbildung, Studium, Beruf
  • Leistungen der Kinder­erwerbs­unfähigkeits­versicherung
  • Versicherungs­zeiten und Alters­grenzen
  • Kinder-EU oder Unfall­ver­sicherung für Kinder: Ein Vergleich
  • Kinde­r­un­fall­ver­si­che­rung und Kinder-EU im Überblick